Gentechnik bleibt Gentechnik

Mit seiner gestrigen Entscheidung hat der europäische Gerichtshof klargestellt, dass auch die neuen Gentechnikverfahren rechtlich als Gentechnik gelten. Mit ihrer Grundsatzentscheidung gaben die Richter den französischen Umwelt- und Bauernorganisationen Recht, die gegen genmanipulierende Verfahren wie die sogenannte Gen-Schere Crispr/Cas geklagt hatten. Damit ist klar: In Zukunft müssen auch die genetisch veränderten Organismen (GVO), denen keine fremde DNA eingesetzt wird, gekennzeichnet und besonders streng geprüft werden. Zahlreiche Umwelt- und Bauernorganisationen begrüßten die Entscheidung hierzulande, der Deutsche Bauernverband machte sich dagegen für die Genmanipulation bei Pflanzen stark.

Gentechnik durch die Hintertür - an dieser Mission arbeiten Konzerne wie Bayer und Monsanto seit langem. Ihre Behauptung: Gentechnik, die nicht auf Fremd-DNA zurückgreift, sei wie herkömmliche Züchtung (Mutagenese) einzustufen. So wollten die Agrar- und Chemieriesen verhindern, dass GVOs als solche gekennzeichnet und eine umfassende Risikoprüfung durchgeführt wird. Das aktuelle Urteil ist ein herber Dämpfer für diese Bestrebungen der Agrarindustrie.

Crispr/Cas nicht mit herkömmlicher Züchtung vergleichbar

Mutagenese, also die Zufallsmutation, ist eine gängige Praxis in der Pflanzenzüchtung. Während so eine größere genetische Vielfalt erreicht werden soll, geht es bei Crispr/Cas um das Gegenteil dessen. Die Gen-Schere greift in einen einzelnen Organismus ein, fügt Material aus dem Labor in diesen ein und so versucht ihn dadurch auf bestimmte Eigenschaften zu reduzieren. Es handelt sich dabei um ein mächtiges Instrument. Das bestätigte die Biochemikerin Emmanuelle Charpentier, die an der Entwicklung von Crispr beteiligt war. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk sprach sie sich daher für eine strenge Regulierung aus, bei der Europa eine Vorreiterrolle spielen könnte.

Anders als bei der konventionellen, auf zufällige Veränderungen ausgerichteten, Züchtung werden beim Genome Editing alle Kopien eines Gens gleichzeitig verändert. Bei der herkömmlichen Züchtung bleiben in der Regel „Sicherheitskopien“ der Gene im Erbgut erhalten, die die Wirkung zufälliger Mutationen ausgleichen können. Das ist bei Crispr-Organismen nicht der Fall. Die Gentech-Industrie behauptet, es handele sich um einen punktgenauen und kalkulierbaren Eingriff. Dabei ist dieser weder akurat noch sind die Folgen absehbar. Englische Forscher haben herausgefunden, dass bei einem Crispr-Eingriff in bis zu 20 Prozent der Fälle unerwartete Defekte auftreten.

In den USA kam das Crispr-Verfahren zur Anwendung, um Pilze so zu manipulieren, dass sie nach dem Anschneiden langsamer braun werden. KritikerInnen befürchten, dass der Eingriff negative Spätfolgen hat, etwa auf die auf die menschliche Gesundheit.

Bauern erleichtert über Gentechnik-Urteil

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft zeigte sich erfreut über den Rechtsspruch. Schutz für Gesundheit, Umwelt und die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung müssten Vorrang vor den Profitinteressen von Konzernen haben, so die Bauernorganisation. Der AbL-Vorsitzende Martin Schulz sieht nun EU-Kommission und Bundesregierung in der Pflicht. Sie müssten jetzt die neuen Gentechnik-Verfahren klar als Gentechnik einstufen und entsprechend regulieren, so seine Forderung.

Der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein, kommentierte: „Jetzt ist es amtlich: Gentechnik ist Gentechnik.“ Mit seiner Entscheidung bekräftige das Gericht, was eigentlich schon immer klar war, so Löwenstein. Gleichzeitig lobte er, dass die Richter sicherstellen, dass Bauern und Verbraucher fortan weiter selbst darüber entscheiden können, was sie anbauen und essen.

„Jetzt ist es amtlich: Gentechnik ist Gentechnik.“

Felix Prinz zu Löwenstein

Der Deutsche Bauernverband dagegen kritisierte die Entscheidung der Luxemburger Richter. Der Verbandspräsident Joachim Ruckwied sprach sich für genveränderte Organismen auf dem Acker aus und argumentierte mit den Herausforderungen des Klimawandels. Die Stellungnahme reiht sich ein in die zahllosen Parteinahmen der DBV-Spitzen für agrarindustrielle Interessen.

Urteil spiegelt die Meinung der Gesellschaft wider

Der EuGH-Rechtsspruch entspricht der Haltung der allermeisten in Deutschland lebenden Menschen. 79 Prozent halten ein Verbot von Gentechnik in der Landwirtschaft für wichtig und 93 Prozent befürworten eine strenge Regulierung und Kennzeichnung (Naturbewusstseinsstudie 2017). Erst kürzlich haben über hunderttausend Menschen mit ihrem Fuß- und Handabdruck oder einer Unterschrift bekräftigt, dass sie keine Gentechnik auf dem Acker und dem Teller wollen.


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