AbL fordert bevorzugte Landvergabe an bäuerliche Betriebe
Wenn hierzulande über Landgrabbing gesprochen wird, dann meist mit Verweis auf den globalen Süden, wo sich Konzerne oftmals widerrechtlich Land aneignen. Aber auch in Deutschland nimmt, weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit, die Landkonzentration kontinuierlich zu. Die Landvergabe findet oftmals nur nach Rentabilitätskriterien statt, kleine Bäuerinnen und Bauern haben das Nachsehen. Nach der Wende wurden alleine im Osten Deutschlands mehr als 850.000 Hektar landwirtschaftlicher Fläche privatisiert. Die Konsequenz: In Deutschland besitzen mittlerweile zwölf Prozent der Landwirtschaftsbetriebe mehr als die Hälfte der Agrarflächen, wie der Europa-Parlamentarier Martin Häusling berechnet hat.
Maßgeblich verantwortlich für diese Entwicklung ist die 1992 gegründete Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG). Die staatliche Privatisierungsorganisation veräußerte ehemaliges DDR-Eigentum – wie die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) zum 25. Jubiläum der BVVG-Gründung feststellt – interessengesteuert und zum Vorteil von Großbetrieben. Nach der Wende habe der Bund die einmalige Chance vertan, in den neuen Bundesländern wieder eine vielfältige bäuerliche Struktur aufzubauen, kritisiert die AbL.
Vielfach vergab die BVVG das vormalige Staatseigentum an LPG-Nachfolgebetriebe. Diese Flächen mit mehreren hundert oder tausend Hektaren werden nun vielfach von den BesitzerInnen veräußert. „Das ist die Grundlage dafür, dass heute außerlandwirtschaftliche Investoren in großem Stil landwirtschaftliche Betriebe und ganze Dörfer übernehmen“, kommentiert Georg Janßen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Tatsächlich gibt es immer mehr InvestorInnen im Agrarbereich, die oftmals keinen Bezug zur Landwirtschaft haben. Superreiche wie Möbelfabrikant Bruno Steinhoff, Immobilienmogul Jürgen Lindhorst, Müllunternehmer Norbert Rethmann schlucken zurzeit in Ostdeutschland am laufenden Band gigantische Flächen. Aber auch landwirtschaftliche Großbetriebe wie die Südzucker AG mischen fleißig mit. In Thüringen hat der Agrarriese kürzlich 3000 Hektar von 40 Ex-LPG-GenossInnen übernommen.
Seit der Wende haben es Bund und Länder versäumt, klare Vorgaben über die Vergabe nach sozialen und ökologischen Kriterien zu machen. Die AbL spricht daher von „einer Klientelpolitik für die flächenstärksten Betriebe.“ So sind industrielle Massentierhaltungen mit mehr als 10.000 Tieren sowie Ackerbaubetriebe mit mehreren tausend Hektaren und den damit einhergehenden Monokulturen entstanden. Regionale Wirtschaftsstrukturen, Dörfer, Tiere und Umwelt wurden nicht in die Vergabekriterien einbezogen. Durch ein enges Zusammenspiel von Politik, Justiz und Verwaltung sei ein großer Teil der bäuerlichen Betriebe von Bodenpacht und Kauf bewusst außen vor gelassen worden, so die Kritik. Das Prinzip des Meistbietenden wurde flächendeckend angewandt und nur 20 bis 30 Prozent der Antragsteller konnten verbilligt pachten und kaufen. Die AbL-Bäuerinnen und Bauern kritisieren, dass eine breite Eigentumsstreuung bewusst verhindert worden sei. „Diese Klientelpolitik ist heute die Grundlage für das Einsteigen auch außerlandwirtschaftlicher Investoren, die sich mit Höchstangeboten großflächig Land unter den Nagel reißen“, erklärt Janßen.
Von den Bundes- und die Landesregierungen fordert die AbL für Chancengleichheit am Bodenmarkt zu sorgen. Anteilskäufe von außerlandwirtschaftliche InvestorInnen sollen künftig genehmigungs- werden und grunderwerbssteuerpflichtig werden. Mit Blick auf die verbleibenden rund 135.000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche, die die BVVG noch zu veräußern hat, müsse eine bevorzugte Vergabe an Betriebe unter 250 Hektar sowie an ExistenzgründerInnen und Nebenerwerbsbetriebe erfolgen.
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