Milchgipfel und Bauernproteste

Gestern fand in Berlin der von Bundesagrarminister Schmidt anberaumte Milchgipfel statt. Beschlossen wurden Finanzmaßnahmen in Höhe von „100 Millionen € plus X“. Sie sollen sich z.B. in Form von Existenzsicherungshilfen, Steuerentlastungen, Freibetragsregelungen zur Schuldentilgung und Entlastungen bei der Landwirtschaftlichen Unfallversicherung niederschlagen, so Christian Schmidt. Branchenvertreter z.B. des Milchindustrieverbandes (MIV) und des Deutschen Bauernverbandes (DBV) begrüßen das Paket als Schritt in die richtige Richtung. Die Vertreter der Milchbauern, der Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM), die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und die Länderagrarminister sind mit den Ergebnissen jedoch nicht zufrieden.

 

DBV-Präsident Joachim Rukwied zeigte sich erfreut, dass sich sowohl Lebensmitteleinzelhandel als auch Bundesministerium zur deutschen Landwirtschaft bekannt hätten. Er erwarte, dass das Liquiditätsprogramm noch deutlich aufgestockt werde, um die politisch verursachten Erlöseinbrüche ansatzweise ausgleichen zu können. Einig sei sich, laut Rukwied, der Milchgipfel in dem Punkt gewesen, dass Handlungsbedarf seitens der Molkereien bestehe, um gemeinsam mit den Milchbauern neue Wege der vertraglichen Lieferbeziehungen zu gestalten.

 

Der Milchindustrieverband (MIV), als Vertreter der Molkereien, erachtet das Paket als effektive Hilfestellung. Die von BDM und AbL geforderte Koppelung der Zahlungsmittel an Mengenreduzierungen, betrachtet er nicht als Mittel zur Bewältigung der Krise. Auch gesetzliche Anpassungen, um Vertragsbeziehungen zwischen Bauern und Molkereien zu lockern, um Bauern mehr Verhandlungsmacht zu ermöglichen, sieht der MIV als nicht notwendig an: „Bereits jetzt können Molkerei und Milcherzeuger frei über ihr Vertragsverhältnis verhandeln “, so Peter Stahl, Vorstandsvorsitzender des MIV.

 

Die Milcherzeuger im BDM organisierten zusammen mit der AbL eine Protestaktion vor dem Brandenburger Tor. 8000 Paar Gummistiefel standen für die Bauern, die ihre Höfe aufgrund der aktuellen Milchmarktkrise schließen müssen. Repräsentanten von BDM, AbL und des MEG Milch Boards sowie der Länderagrarminister, allesamt nicht zum Milchgipfel eingeladen, äußerten ihr Unverständnis über den Umgang mit der politisch verschuldeten Krise und legten ihre Forderungen nach Mengenreduzierungen dar.

 

Die verkündeten Maßnahmen würden verpuffen. „Wieder wurde eine Chance verpasst, dringend nötige Liquiditätshilfen mit einer Hebelwirkung zu verknüpfen. Ohne eine schnelle Markterholung wird es aber nicht gelingen, die Milcherzeugerpreise deutlich nach oben zu bringen“, so Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. Die AbL teilt diese Kritik: „In einen übervollen Milchmarkt Steuergelder zu geben, ohne im Gegenzug die Verringerung des Überangebots zu verlangen, ist unverantwortlich“, so Ottmar Ilchmann, Milchbauer stellvertretender Vorsitzender der AbL. „Die geplanten Liquiditätshilfen werden nur zu noch höherer Verschuldung der Bauernhöfe führen und in der Folge wird immer mehr Land an außerlandwirtschaftliche Investoren übergehen“, ergänzt Gertraud Gafus, Vorsitzende der AbL.

 

Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen, äußerte bereits zum Jahrestag des Milchquotenendes im April Bedenken: „Wir stehen vor einem Strukturbruch in der Milcherzeugung. Aber Minister Schmidt weigert sich nach wie vor die Konsequenzen zu ziehen und die notwendigen Schritte zu gehen.“ Bauernverband und Union hätten den Bauern über Jahre hinweg zu Intensivierung geraten und mit Versprechungen vom Weltmarkt gelockt. Allein im letzten Jahr hätten über 3200 Betriebe aufgeben müssen, darunter auch viele Wachstumsbetriebe. Ostendorff vermutet, dass der Strukturwandel politisch gewollt sei. Anders sei die Untätigkeit des Ministeriums nicht zu erklären.

Laut Statistischem Bundesamt nimmt die Zahl der milchviehhaltenden Betriebe rapide ab. Im Gegenzug erhöht sich die Zahl der Milchkühe in Deutschland. Der Trend geht zu großen Intensivhaltungen. Kleine und mittelständische Betriebe haben keinen Platz in diesem System.

 

Pressemitteilung Friedrich Ostendorff unter: bit.ly/1WW9LhA

 


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