Wachstum ohne Wertschöpfung

Die Krise der Milchpreise und die dadurch existenzbedrohende Lage der Milchbauern zog sich in den letzten Monaten durch die Berichterstattung der Medien. Vor wenigen Tagen ließ der Bauernverband (DBV)Sachsen-Anhalt verlauten, dass er befürchte, in diesem Jahr könnten zehn Prozent der Milchviehbetriebe schließen. Das wären dreimal mehr als sonst. Wie äußern sich der Agrarminister Christian Schmidt und der DBV-Präsident Joachim Rukwied anlässlich der Eröffnung der Grünen Woche zur Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland? Bis 2020 solle sich nichts an der derzeitigen Agrarpolitik ändern: Wachstum wird weiterhin politisch vorgeschlagen und gewollt.

 

Heute erschien der Kritische Agrarbericht 2016, der den Wachstumswillen der Landwirtschaftspolitik auf den Prüfstand stellt. Wie nützlich ist es, in Krisenzeiten Wachstum anzukurbeln und wie nachhaltig und perspektivenreich ist es generell? Die Bilanz fällt negativ aus. Betriebliches Wachstum sei längst kein Garant für Wohlstand mehr. Allen betrieblichen Größenordnungen aber vor allem den kleineren fiele es immer schwerer, sich auf die schwankenden und sinkenden Erzeugerpreise einzustellen. Die Lebensgrundlage der Menschen hier sei ebenso gefährdet wie die Ernährungssouveränität in Ländern des Globalen Südens und das Tierwohl.

 

„Bundesminister Schmidt und der Bauernverband haben stets von wachsenden kaufkräftigen Exportmärkten für Milch und Schweinefleisch geredet und die Agrarpolitik danach ausgerichtet. Seit anderthalb Jahren bezahlen die Bauern nun dafür, dass diese Vorhersagen falsch sind. Molkerei- und Schlachtkonzerne steigern zwar ihre Exporte; aber auf Kosten der Bauern, die für Milch, Ferkel und Schweinefleisch Preise weit unterhalb ihrer Kosten erhalten“, so Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Die steigende Nachfrage nach regionalen und tier- und umweltgerechten erzeugten Lebensmitteln seit steigend und es sei daher Zeit für eine Qualiätsoffensive statt eines Setzens auf Weltmarktanteile.

 

In Zeiten des Klimawandels und Konflikten mit Migrationsfolge bräuchte nicht die Wirtschaft vielmehr die Bodenfruchtbarkeit einen Wachstum: „Der jährliche Verlust von 10 Millionen Hektar fruchtbarer Böden weltweit sowie Humus zehrende, einseitige Fruchtfolgen in der industriellen Landwirtschaft bewirken aber das Gegenteil“, sagt Felix von Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Landwirtschaft könne regenerativ praktiziert werden und durch Humusaufbau so viel CO2 binden, dass Überhänge in der Atmosphäre wieder rückgängig gemacht werden könnten. „Die Destabilisierung von Gesellschaften durch Nahrungsmangel und Klimawandel zwingt uns, zu handeln. Es ist überfällig, alle agrarpolitischen Instrumente auf ein Ökologisches Agrarsystem und auf dessen Fortentwicklung auszurichten.“

 


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