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24 notwendige Maßnahmen für einen sozial-gerechten Umgang in Zeiten von Corona

Eine Reihe von Gruppen - auch aus dem Trägerkreis von Meine Landwirtschaft - haben 24 Forderungen für die Welt nach der Corona-Pandemie veröffentlicht. Sie nutzen die Gelegenheit, um zu zeigen, wo die Reise künftig hingehen soll: Die Weichen für eine bessere Zukunft stellen!

Wir dokumentieren hier die Erklärung der über 60 Organisationen (Liste der Unterzeichnenden).


Wir nehmen COVID-19 ernst. Wir alle wollen die Ausbreitung des Corona-Virus so gut es geht eindämmen, damit Risikogruppen geschützt werden und das Gesundheitssystem nicht kollabiert. Gleichzeitig sehen wir mit Besorgnis, dass in dieser Krise weniger privilegierte Bevölkerungsgruppen besonders stark betroffen sind: Nicht nur von der Ausbreitung des Virus selbst, sondern auch von den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Vorsichtsmaßnahmen.

SOLIDARITÄT heißt mehr als nur „Zu Hause bleiben“. Es bedeutet, dass wir ALLEN Bevölkerungsgruppen den Schutz vor dem Virus ermöglichen; und dass wir NIEMANDEN mit den einhergehenden Krisen alleine lassen – ganz unabhängig von Pass und Nationalität. #LeaveNoOneBehind

Soziale Gerechtigkeit und der SCHUTZ FÜR BESONDERS BETROFFENE muss der Maßstab sein, mit dem wir diese Krise bewältigen – hierzulande und weltweit. Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn allen Mitgliedern dieser Gesellschaft die materiellen und sozialen Grundlagen für ein gutes Leben und demokratische Teilhabe zu Verfügung stehen.

Es darf nicht zu einer Verselbständigung von Überwachungs- und Eingriffsmaßnahmen kommen, die GRUNDRECHTE gefährden. Wir müssen uns als Gesellschaft auch in Krisenzeiten die Frage stellen welche Eingriffe verhältnismäßig sind, d.h. was erforderlich, geeignet und angemessen ist. Dies können wir nicht den Herrschenden überlassen.

PFLEGE- UND GESUNDHEITSSYSTEME UMBAUEN ist unsere Forderung für ein Gesundheitssystem frei von Konzerninteressen und Profitdenken hin zu einem System mit angemessenem Lohn für Pflegekräfte.

Die Corona-Krise zeigt uns außerdem die Mängel unseres jetzigen Wirtschaftssystems. Lasst uns die kommenden Umbrüche als Anlass nehmen, unsere Lebens- und Produktionsweisen; unsere WIRTSCHAFT NACHHALTIG, GERECHT UND KRISENFEST AUFZUSTELLEN.  Darum fordern wir:

 

Solidarität kennt keine Grenzen

1. Sofortige Aufnahme von Geflüchteten von den griechischen Ägäisinseln und von den blockierten Booten im Mittelmeer in europäische Länder

  • mit entsprechender medizinischer Versorgung
  • mit sicherem Anspruch auf Asyl

2. Geflüchtete vor Ort gesundheitlich schützen – in Deutschland und überall

  • Evakuierung von Großunterkünften und Unterbringung in dezentralen, kleineren Unterkünften oder eigenen Wohnungen
  • Ausbau von Frauen*unterkünften zur Prävention sexualisierter Gewalt auf der Flucht
  • Freilassung von Menschen aus der Abschiebehaft
  • Niederlassungserlaubnis für alle, die sich momentan in Deutschland befinden (d.h. unbefristet, mit Arbeitserlaubnis und Bewegungsfreiheit)
  • Barrierefreier Zugang zum Gesundheitssystem

3. Gesundheit grenzenlos denken:

  • Versorgung von Menschen über die Grenzen von Nationalstaaten hinaus
  • Austausch von medizinischen Geräten

4. Umverteilung von wirtschaftsstarken Ländern an wirtschaftsschwache Länder

  • Schuldenerlass für Länder des Globalen Südens und betroffene Länder in der EU
  • Finanzielle zinsfreie Unterstützung für besonders betroffenen Staaten, die nicht an Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich gekoppelt sein dürfen.

 

 

Schutz für besondere Betroffene

5. Unterstützung von Menschen in prekären Lebenssituationen

  • Bereitstellung bzw. Erweiterung von Unterkünften, Hygieneeinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen ohne Obdach, z. B. in Hotels.
  • Unterstützung der Tafeln, sodass ein Betrieb wieder vollständig aufgenommen werden kann und Ausstattung mit zusätzlichen Mitteln, um den zusätzlichen Bedarf einhergehend mit der Corona-Pandemie zu bewältigen
  • Menschen in öffentlichen Schulen angemessen schützen
  • Bereitstellung von technischer Infrastruktur (Notebooks, W-LAN) für Schüler*innen in prekären Lebenssituationen, bzw. Zugang zu Schulunterricht in der Schule in kleinen Gruppen

6. Unterstützung bei geschlechtsspezifischer Gewalt & körperlicher Selbstbestimmung

  • Ausbau der Angebote von Frauen*häusern, Beratungsstellen für Frauen, Lesben, Inter- & Transpersonen sowie feministischen Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse
  • Erfüllung der Kriterien der von der BRD ratifizierten Istanbul-Konvention
  • Niederschwelliger Zugang zur Schwangerschaftskonfliktberatung und zum Schwangerschaftsabbruch
  • Ausbau von Gewaltprävention bei Männern und Angeboten zu kritischer Männlichkeit

7. Unterstützung bestehender und Schaffung zusätzlicher Unterstützungsstrukturen für vulnerable Gruppen, auch im ländlichen Bereich

  • Ausbau von Therapiestellen für Erwachsene und Kinder
  • Beratungsstellen und Sicherstellung adäquater Versorgung für Menschen mit psychischen Belastungen & Erkrankungen
  • Gesundheitliche Versorgung auch für Menschen ohne Papiere

8. Unterstützung von migrantischen (Saison-)Arbeiter*innen und Menschen ohne dauerhafte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis

  • Mehrsprachige Informationsmaterialien und individuelle Beratungsangebote
  • Einzelzimmer statt überbelegte Sammelunterkünfte
  • Kein Racial Profiling zur Durchsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen
  • Angebote für Menschen ohne Papiere, sich anonym auf Corona testen und ggf. behandeln zu lassen

9. Existenzielle Absicherung gewährleisten:

  • Erlass von Schulden für Grund-Dienstleistungen: mindestens Wasser, Strom, Heizung und medizinische Versorgung; keine Stromabklemmungen
  • Kündigungsschutz von Mieter*innen; keine Zwangsräumungen
  • Mieter*innen, die aufgrund der Corona-Pandemie wegen Einkommenseinbußen ihre Miete nicht zahlen können, sollten einen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden durch die Sozialleistungsbehörden haben.
  • Keine finanziellen Sanktionen in Jobcentern und bei der Bundesagentur für Arbeit
  • Absicherung und höhere Lohnzahlungen für Menschen im Niedriglohnsektor, unabhängig von Staatsangehörigkeit (z.B. Kassierer*innen, Pflegepersonal….)
  • Finanzielle Soforthilfen für Menschen und Institutionen, die durch die Krise besonders stark und besonders lange betroffen sind, .z.B. Kulturschaffenden u. Kulturstätten; Solo-Selbstständige u.a.
  • Bedingungsloses Grundeinkommen

 

 

Grundrechte wahren

10. Keine digitale Überwachung

  • Mobilfunkdaten dürfen unter keinen Umständen personalisiert ausgewertet werden.
  • Erstellung und Veröffentlichung einer umfassenden Datenschutz-Folgenabschätzung für die Verarbeitung von Gesundheitsdaten und Kontaktprofile durch „Corona-Apps“ – eine gesellschaftliche Debatte muss möglich sein!
  • Verbot automatisierter Gesichtserkennung mit Videoüberwachung

11. Klare Fristen für bestimmte Freiheits-einschränkende Maßnahmen;

  • Einschränkungen von Grundrechten dürfen nur demokratisch entschieden werden und mit klarer wissenschaftlicher Begründung und Datenlage, eindeutigen Definitionen, Verhältnismäßigkeit und zeitlicher Beschränkung stattfinden.
  • Kein Einsatz der Bundeswehr – stattdessen Schaffung zivilen Krisenschutzes mit Bundesgeldern
  • Polizeiwillkür muss unterbunden werden, auch während der Corona-Pandemie

12. Schutz des Versammlungsrechtes

  • Das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit muss erhalten bleiben: Menschen, die bei politischen Versammlungen den Infektionsschutz berücksichtigen, müssen dieses Grundrecht ausüben können! (Artikel 8, Grundgesetz)

13. Stärkung der Arbeiter*innen-Rechte

  • Keine Einschränkung der freien Berufswahl, keine Zwangsverpflichtung für den Kriseneinsatz und keine Anpassung der Arbeitsbedingungen, bzw. nur mit Mitsprache
  • Bei Insolvenz Vorrecht der Arbeiter*innen, Betriebe zu übernehmen, bevor sie verkauft/geschlossen werden
  • Keine Entlassung von infizierten Menschen. Ausbau des bestehenden Kündigungsschutz

14. Schutz der Grundrechte für Menschen im Gefängnis

  • Keine unverhältnismäßigen Einschränkungen von Besuchen, Hofgängen und anderer Rechte
  • Sicherstellung der medizinischen Versorgung

 

Pflege- und Gesundheitssysteme umbauen

15. Gesundheitssysteme zukunftsfähig umbauen:

  • Gesundheitssystem frei von Konzerninteressen etablieren, von Effizienz- hin zu Gemeinwohlorientierung
  • Abschaffung von Patentrechten in der medizinischen Forschung
  • Orientierung der medizinischen Forschung an globalen Gesundheitsbedürfnissen, nicht an Rendite-Erwartungen
  • Pflegenotstand beenden; (Gehalt erhöhen, Bedingungen verbessern, Personal erhöhen)
  • Öffentliche Gewährleistung von allen medizinisch sinnvollen Gesundheitsleistungen
  • Einführung einer Bürger*innen-Versicherung
  • Re-Kommunalisierung von Krankenhäusern

16. Anerkennung von Sorge-Arbeit als zentrale Säule unserer Wirtschaft und des gesamten gesellschaftlichen Lebens

  • Einführung der 30h-Woche für mehr Zeit für Care-Arbeiten
  • Förderung von Strukturen, die eine Vereinbarkeit von Lohnarbeit und Pflege ermöglichen (z.B. Kita-Plätze, Teilzeitstellen)
  • bessere Bezahlung und Arbeitsbedingungen sowie Wertschätzung für zumeist von Frauen* und Migrant*innen geleistete Arbeiten wie Müllabfuhr, Reinigungskräfte, Kassierer*innen, Erntehelfer*innen,…
  • Anerkennung von Care-Tätigkeiten als Arbeitszeit
  • Geschlechtergerechte Verteilung der unbezahlten Care-Arbeiten

17. Grundversorgung für alte, alleinlebende und kranke Menschen

  • Solidarischer Schutz mit Rücksicht auf Pflege, Unterstützungsbedarf im täglichen Leben und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte
  • Förderung von Mehrgenerationen-Wohnen statt Isolierung in Altersheimen

 

Wirtschaft nachhaltig, gerecht und krisenfest aufstellen:

Insbesondere vor dem Hintergrund möglicher weiterer Krisen oder Pandemien ist das ein wichtiger Aspekt für die Zukunft.

18. Menschen unterstützen statt Konzerne retten

  • Koppelung von Rettungspaketen an ökologische und soziale Kriterien:
  • Vorrang haben Investitionen in:
    • sozial-ökologische Mobilität: Ausbau von Radwegen und barrierefreier ÖPNV inkl. günstigem Bahnverkehr und Nachtzügen.
    • Vergesellschaftung von Wohnraum
    • nachhaltiges und gemeinwohlorientiertes Bauen und Wohnen: Fokus auf den Erhalt und Instandsetzung von Bausubstanz, sinnvolle energetische Sanierungen fördern
    • krisenresiliente, agrarökologische und emissionsarme Landwirtschaft
    • erneuerbare Energieversorgung, Speichertechnologien
    • Umschulungsangebote, damit Arbeitsplätze in zukunftsfähige Bereiche verlagert werden können
    • Basisdemokratische Auseinandersetzung damit, was produziert werden soll und wie es produziert werden soll
    • Gutes Leben für Alle, statt materiellem Überfluss für Wenige
    • Ausbau von Gemeingütern
    • Postwachstum statt Konsumgesellschaft
    • Keine Subventionierung bzw. keine Kompensationen für Schäden aus der Corona-Krise für fossile Energiekonzerne und andere klimaschädliche Industrien

19. Keine Abkehr vom Klimaschutz

  • Atomausstieg ebenso wie den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas vorantreiben; Kraftwerke abschalten statt durch personalintensive Revisionen weitere Menschen zu gefährden
    • Reduktion des Flugverkehrs z.B. durch personenbezogene Vielfliegerabgabe, Abschaffung von Inlandsflügen
    • Beendigung der Subventionen für den Flugverkehr
    • Investitionen in Verkehrsberuhigung, Rad- und Fußwege im städtischen Raum
    • Subventionen für den Autoverkehr – Pendlerpauschale, Dienstwagen, Diesel – in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und des Radwegenetzes umleiten
    • Rückbau der Tierproduktion zwecks Wiederaufforstung von Wäldern sowie Wiedervernässung von Feuchtgebieten

20. Stopp der Privatisierung aller Daseinsversorgungen

  • keine Kreditvergabe im Gegenzug für Sparmaßnahmen und für Privatisierung von Unterstützungsleistungen und öffentlichen Gütern

21. Sofortiger Produktions- und Exportstopp jeglicher Waffen; Kriege müssen beendet und Zivilist*innen geschützt werden

  • Medizinische Krisenteams statt Militäreinsätze

22. Agrarwende hin zu zuverlässiger, sozial gerechter, ökologisch verträglicher und tierleidfreier Lebensmittelversorgung

  • Vorbeugung von Zoonosen durch deutliche Reduktion von Monokulturen, Tierproduktion und Wildtierhandel sowie massive Förderung von Artenvielfalt und intakter Ökosysteme
    • Vergesellschaftung von Acker/Weideflächen
    • Zuverlässige Lebensmittelversorgung für alle insbesondere angesichts der durch Corona zunehmenden Armut – daher Abkehr von Profit-Ausrichtung durch Vergesellschaftung von Agrarkonzernen und Förderung von Agrarökologie
    • Abschaffung von Patentrechten in der Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion
    • Entlastung des Gesundheitssystems durch Abschaffung von Antibiotika-intensiven Tierproduktionsformen

23. Stärkung von regionalen Wirtschaftskreisläufen: ökologische und soziale Ausrichtung von Handel und Entscheidungsprozessen; Abbau neokolonialer Abhängigkeiten

  • Schutz regionaler Wirtschaftsstrukturen in Handelsabkommen → Ablehnung Mercosur-Abkommen und weiterer Freihandelsverträge
  • Regionalisierung des Ernährungssystems und Ernährungssouveränität
  • Stopp von Landgrabbing; Existenzsicherung und privilegierter Flächenzugang für Kleinbäuer*innen (weltweit)
  • Stattdessen lokale und nicht-kommerzielle Verteilstrukturen, kommunale Ernährungsräte
  • Globalen Handel stärker regulieren:
    • Globale Wertschöpfungsketten transparent machen
    • CO2-Grenzsteuern auf Importe, Ende von Transportsubventionen, Umwelt- und Menschenrechtsschutzgesetze für internationale Konzerne (Einbezug aller Betroffenen)

24. Umverteilung durch Einführung und konsequente Durchsetzung von

  • Finanztransaktionssteuer
  • Sonderabgabe von Unternehmen, die besonders durch die Krise profitieren (Versandhandel, Logistikunternehmen, Digitalisierungsunternehmen…)
  • Starke Regulation bzw. Ende von finanzieller Spekulationen (z.B. Lebensmittel)
  • Einführung eines Maximaleinkommen
  • „Reichensteuer“
  • Erbschaftssteuer auf Unternehmen
  • Vermögensabgabe und Vermögenssteuer
  • Beseitigung von Steuerschlupflöchern
  • Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerhinterziehung
     

Hin zu einem sozial-ökologischen Umbau durch

  • Daseinsvorsorge und soziale Sicherungssystemen
  • Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe (Postwachstumsökonomie)
  • Ausbau von Gemeingütern
  • gemeinwohlorientierte Wohnraum-Träger
  • Energiewende
  • Stärkung des Care-Bereiches
  • gemeinwohlorientierte Betriebe
  • Bedingungsloses Grundeinkommen


Corona ist nicht unsere einzige kollektive Herausforderung. Wir können jetzt lernen, wie wir dem Klimawandel und anderen gesellschaftlichen Problemen begegnen können: gemeinsam, entschlossen, solidarisch, beispiellos.

Unter diesen 24 notwendigen Maßnahmen zum Umgang mit der Corona-Krise sind einige dabei, die sich an den Staat und seine Institutionen richten. Doch es genügt nicht, Forderungen an den Staat zu stellen. Es braucht selbstorganisierte Strukturen, die alternative Wege erarbeiten und Freiräume erstreiten. Das muss kein Widerspruch zu staatlichen Sozialleistungen sein. Es ist unsere Aufgabe als soziale Bewegungen, diese Freiräume Schritt für Schritt aufzubauen und in Austausch dazu zu kommen, wie wir uns eine herrschaftsarme Zukunft vorstellen können.

Lasst uns gerade jetzt für eine lebenswerte sozial gerechte und ökologisch nachhaltige Zukunft eintreten.