Neues Gesetz zur Schlachtung trächtiger Rinder
2015 wies „Report Mainz“ auf ein Thema hin, das viele Menschen fassungslos machte. Ungeborene Kälber ersticken massenhaft und qualvoll in der Gebärmutter, nachdem die trächtigen Muttertiere betäubt und geschlachtet wurden. Die Kälber werden danach als Schlachtabfall entsorgt. So die gängige - bislang durch das Gesetz gedeckte - Praxis in deutschen Schlachthöfen. Nachdem die schockierenden Bilder öffentlich wurden, versprach die Bundesregierung Abhilfe zu schaffen und in der vergangenen Woche passierte ein entsprechender Gesetzentwurf den Bundestag. Das Gesetz geht TierschützerInnen, Grüne und Wissenschaftler*innen allerdings nicht weit genug.
Der am vergangenen Donnerstag verabschiedete Gesetzentwurf von Union und SPD verbietet die Schlachtung von Säugetieren „im letzten Drittel der Trächtigkeit“. In dieser Zeit, so heißt es im Gesetzestext, empfinden die Ungeborenen bis zu ihrem Tod Schmerzen und Leiden und das massenhafte Ersticken stelle folglich eine „erhebliche Tierschutzproblematik“ dar. In Deutschland war bislang allein der Transport von hochträchtigen Tieren in den letzten zehn Prozent der Trächtigkeit verboten, nicht die Schlachtung selbst. Der Deutsche Tierschutzbund geht davon aus, dass von der jährlich in Deutschland geschlachteten Million Kühe etwa ein Zehntel trächtig sind, wobei der Großteil der Tiere sich in der zweiten Hälfte ihrer Trächtigkeit befänden.
Vor diesem Hintergrund begrüßt die Tierschutzorganisation das Schlachtungsverbot als Schritt in die richtige Richtung. Auf Unverständnis stößt jedoch die Ausklammerung von Ziegen und Schafen bei der Regelung. Laut Gesetz seien Haltung der Tiere und die Paarung „grundlegend anders“ als bei Rindern und Schweinen, weswegen das Stadium der Trächtigkeit schwieriger festzustellen sei. „Aus Tierschutzsicht dürfen einzelne Tierarten jedoch nicht aus wirtschaftlichen Gründen von der Regelung ausgeschlossen werden“, kritisiert der Tierschutzbund. Zudem bemängelt die Organisation, dass Rechtsvorschriften fehlten, um Verstöße zu sanktionieren.
Weiterhin erlaubt bleibt auch das Schlachten schwangerer Tiere nach tierseuchenrechtlichen Bestimmungen und im Einzelfall nach tierärztlicher Indikation. „Die Ausnahmen sind viel zu vage und dadurch anfällig für Missbrauch“, sagte Nicole Maisch, Sprecherin für Tierschutzpolitik der Grünen-Fraktion, der Tageszeitung taz. Sie kenne keine „tierärztliche Indikation“, die eine Ausnahme vom Schlachtverbot trächtiger Tiere rechtfertigen könnte. „Denn selbstverständlich erleiden auch die ungeborenen Föten von kranken oder verletzten Tieren einen grausamen Erstickungstod bei der Schlachtung“, so Maisch.
Auch von wissenschaftlicher Seite bekommt das Gesetz Gegenwind. „Wir unterstützen diesen Gesetzentwurf nicht und appellieren an das Ministerium, ihn fachlich grundlegend zu überarbeiten“, schrieb Katharina Riehn in einer Stellungnahme. Sie ist Professorin an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg und hat sich im Auftrag der Bundesregierung mit dem Thema befasst. Im Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte die Veterinärmedizinerin: „Prinzipiell ist es ja gut, dass es jetzt eine gesetzliche Regelung geben soll.“ Das Problem am Gesetzentwurf sei aber, dass er Ausnahmen zulasse und damit hinter freiwillige Vereinbarungen in einigen Bundesländern zurückfalle. Die Vorgaben sind zu unkonkret, weswegen die Expertin „detaillierte und sehr viel enger gefasste Vorgaben durch den Gesetzgeber“ fordert.
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