Vier Tage auf dem Heilsberger Hof

Hof mit Zukunft

Anfang Mai flatterte eine Mail von Greenpeace, wo ich seit fast zehn Jahren aktiv bin, herein, mit einer Einladung, vier Tage auf einem Bauernhof zu verbringen. Vier Tage mitarbeiten und mit Landwirtinnen diskutieren – wo gibt es das denn? Wo können Aktivisten ihr theoretisches Wissen durch praktische Arbeit aufbessern und offen mit Landwirtinnen in den Dialog und kritischen Austausch gehen? In einer Zeit, in der es gefühlt immer schwieriger wird gegenteilige Ansichten auszutauschen, bietet „Hof mit Zukunft“ eine besondere Gelegenheit. Organisiert und bestens durchgeführt von den Trägerorganisationen von „Wir haben es satt!“, die mir bisher nur durch die alljährliche Demo zur Grünen Woche bekannt waren.

Mail gelesen, beworben, abgewartet. Yeah! Am 15. Mai 2024 kam die Info, dass ich im Juni gemeinsam mit drei weiteren Aktivist*innen vier Tage auf dem Heilsberger Hof in Niederstadtfeld (Eifel) verbringen werde. Am Abend des 13. Juni wurden wir von Hannah, Thomas, den drei Kindern und dem Praktikanten in der Küche willkommen geheißen. „Ach, ihr kommt genau richtig, wir machen gerade das Abendbrot fertig. Holt euch aus dem Kühlschrank, was ihr mögt, und stellt es auf den Tisch.“

So ungezwungen wie die Begrüßung war auch der weitere Verlauf auf dem Hof. Mit Hannah und Thomas hatten wir Gastgeber, die nicht nur klassische Ausbildungen in Landwirtschaft, sondern auch jeweils ein Studium in Agrarwissenschaften abgeschlossen hatten. Thomas ist zudem ausgebildeter Forstwirt. Viele Jahre haben die beiden auf verschiedenen Höfen und Almen verbracht, bis sie sich 2020 in der hohen Eifel selbstständig machten.

Der Heilsberger Hof umfasst ca. 80 ha Ackerfläche und Grünland und ist geprägt von tierischer Vielseitigkeit. Hier leben Rinder, Schweine, Pferde, Hühner, Schafe, Gänse, Hasen und nicht zuletzt der Hund Happy in Eintracht nebeneinander. Vor dem Küchenfenster flattert der Turmfalke, der wohl zum Hof gehört. Der Hof wurde 2020 von Hannah und Thomas auf biologisch-dynamische Landwirtschaft umgestellt und ist seit 2022 Demeter-zertifiziert.

Die Rinder werden auf der Weide gehalten, die Milch der Mutterkühe steht den Kälbern zur Verfügung. Die Schweine leben in einem Freigehege, dürfen wegen der Afrikanischen Schweinepest nicht auf die Weide. Die Hühner laufen frei auf dem Hof herum oder sind in einem mobilen Hühnerstall auf der Weide. Die Schafe sind ebenfalls auf der Weide.

Das waren auch die Herausforderungen des ersten Tages. Am Morgen fuhren wir auf eine idyllisch gelegene Weide, umgeben von Hecken und Bäumen, die wir abzäunten. Anschließend hieß es, die ca. 600 Meter Wegstrecke vom aktuellen Standort der Rinder zur frischen Weide mit provisorischen Zäunen abzusichern. Im Anschluss wurde die etwa zwölfköpfige Herde über die Straße auf die frische Weide geführt. Mutterkühe, Kälber und Bulle. Für jemanden, dessen größte tierische Herausforderung Hund und Katze sind, ist es schon ein respektables, aber auch schönes Erlebnis, den Bullen und den Rest der Bande in der Spur zu halten.

Am Nachmittag ging es an die Schafe, die ebenfalls umgeweidet werden mussten. Hier wurde eine Fläche unmittelbar an die bestehende abgezäunt, und die Wanderung war nicht ganz so aufregend, dennoch eine gute Erfahrung, so mit den Tieren in Berührung zu kommen.

Zurück auf dem Hof ging es darum, noch schnell einen Strohspielplatz für die jüngsten der erwarteten Feriengäste herzurichten. Schaukeln aufhängen, Rutschbahn befestigen, Sicherungsmatten auslegen. Was der Landwirt oder die Landwirtin nicht alles so macht. In der Tat steuern die Ferienwohnungen einen beträchtlichen Teil zum Einkommen, aber auch zur täglichen Arbeit bei.

Am nächsten Tag ging es weiter mit Holz machen. Nicht ohne von Thomas gefragt zu werden, ob uns das recht sei. „Klar, wenn das euch hilft, dann machen wir das gerne.“ O Mann, ab dem Nachmittag bereute ich meine Zusage, musste ich immer öfter einen Grund für eine Auszeit suchen, um durchzuatmen und meine Knochen auszuschütteln und hoffte ab spätestens 15 Uhr, dass Thomas endlich sagen würde es wäre genug Holz portioniert. Am Abend war ich echt fertig und fragte mich, wie Thomas das alles durchsteht. Wir saßen schon gemütlich beisammensaßen und er war noch immer irgendwo am Werkeln.

Gegen 19:00 Uhr saßen wir dann vereint und wiederholt in der Küche und ich freute mich auf die Fortführung der Diskussion vom Vorabend, auf das Abendessen und darauf, meine Knochen zu schonen.

Zu früh gefreut. 20:15 Uhr. Anruf. Schafe in der Nachbargemeinde sind ausgebrochen und stehen bei den Anwohnern im Garten. Mögen wohl Rosen. Im Laufschritt zum Auto, Anhänger dran, Futter auf die Ladefläche und auf geht’s. Nach ca. 1,5 Stunden kamen wir mit den Schafen auf dem Anhänger zurück auf den Hof und konnten diese in das Gehege entlassen, welches Hannah flux in der Zwischenzeit aufgebaut hatte.

Anschließend wieder in die Küche und weiter mit der Diskussion. Themen waren Bauernproteste, Tierhaltung, Welt-Agrarhandel, Botanik, Anbaumethoden, wirtschaftliche Herausforderungen, das Verhältnis zwischen Umweltgruppen und der Landwirtschaft und vieles mehr. Neben der nahezu unermüdlichen Energie der beiden beeindruckte uns deren umfangreiches Wissen, die Fähigkeit und der Mut, so einen Hof zu übernehmen und aufzubauen, sowie gleichzeitig die Ausgeglichenheit und das aufrichtige Interesse, mit uns in den Austausch zu gehen.

Dann war ich aber doch erleichtert, als ich merkte, dass Thomas gegen 0:30 Uhr die Augen zufielen – also doch ein Mensch.

Zusammengefasst: Der kurze Aufenthalt hat meinen Respekt vor der Leistung der Landwirt*innen weiter gesteigert. Er hat mir einen kleinen Einblick in das beschwerliche, aber anscheinend auch sehr zufriedenstellende Leben geschenkt und mir neue Eindrücke und Wissen beschert.

Ich danke den Organisatoren, die uns bestens betreut haben. Ich danke meinen drei Begleiter*innen. Ich danke Greenpeace und ganz besonders Hannah und Thomas Braß.


Stefan Maier (59) kommt aus Nordrhein-Westfalen und ist bei Greenpeace aktiv mit Schwerpunkt Landwirtschaft. Vom 13. bis 16. Juni 2024 nahm er am immersiven Dialogformat "Hof mit Zukunft" des "Wir haben es satt!"-Bündnisses teil.

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